Zu Michaela Bruckmüllers Œuvre
Jasmin Haselsteiner-Scharner
Mensch und Natur stehen im Mittelpunkt von Michaela Bruckmüllers Schaffen. Spuren des Lebens, sowie seine Manifestationen in verschiedenen Erscheinungsweisen wecken ihr künstlerisches Interesse. Dabei steht das Sammeln von Objekten, Pflanzen aber auch Menschenbildern im erweiterten Sinn im Vordergrund. Oft nähert sich die Künstlerin subtil an ein Thema an, indem sie Spuren und Fragmente untersucht und diese selbst erzählen lässt. Stets ist es ein reflektierter Zugang, den Bruckmüller durch fast wissenschaftliche Untersuchungen oder intensive Gespräche sowie durch Zitate berühmter Autoren untermauert.
In ihrer jüngsten Arbeit „Vanitas vanitatum – Über Werden und Vergehen“ (2016/17) hinterfragt sie Aristoteles‘ Theorien zur Vergänglichkeit des Seins. Verschiedene Pflanzen werden isoliert vor dunklem Hintergrund drapiert, der sie förmlich aus ihrem ursprünglichen Lebenskontext reißt. Die Farbe Schwarz – eine Farbe des Todes und der Trauer – verstärkt dabei die Vanitassymbolik der entwurzelten Gewächse. Überwuchert von Moosen und Flechten scheinen diese zu skulpturhaften Objekten verkümmert und von den Fängen des Todes umschlungen.
Den Tod und das Töten untersucht die Künstlerin auch in ihrer Serie „… sollst sanft in meinen Armen schlafen…“ (2015).
Auf den ersten Blick verführen diese leuchtend blühenden Wesen den/die Betrachter/in mit ihrer betörenden Schönheit. Vor dunklem Hintergrund arrangiert heben sie sich stark davon ab und ziehen in ihrer Detailschärfe und Größe den Blick auf sich. Dabei sind es durchwegs Pflanzen, die durch Dornen, Stacheln oder giftige Substanzen Lebewesen bedrohen, ja mitunter sogar töten können. Eindrücklich ins Bewusstsein ruft die Künstlerin diesen letalen Charakter durch die erweiternde Toninstallation, die Informationen zu Fallbeispielen von Menschen, die durch Pflanzen getötet wurden, gibt.
Vor dunklem Hintergrund zu isolieren und dadurch gewisse Dinge hervorzuheben, zieht sich als visuelle Strategie durch Michaela Bruckmüllers Arbeiten. Statt Pflanzen treten dabei in der Serie „Vor dem Anfang war die Nacht“ (2010-11) Tiere in Erscheinung. Diese sind jedoch nicht (mehr) lebendig, sondern werden beim näheren Hinsehen als ausgestopfte Jagdtrophäen entlarvt. In ihnen manifestiert sich auf erschreckende Weise die menschliche Dominanz gegenüber niedriger eingestuften Spezies. Umhüllt von nicht näher definierter, schwarzer Umgebung wird das nachtaktive Tier in einen neuen Kontext gebracht, der Raum für weiterführende Interpretationen bietet.
Diese Ungewissheit der Nacht, die Raum für Träume, das Mystische und Geheimnisvolle birgt, beschäftigt die Künstlerin auch in der zwischen 2006 und 2008 entstandenen Werkgruppe „Fiktion“. Dabei tritt sie selbst immer wieder im starken Blitzlicht, das wie ein Störfaktor bestimmte Stellen im Bild unbarmherzig aus ihrem Zusammenhang reißt, in Erscheinung. Sichtbar werden intensiv farbige, oft bizarre Formen der Natur, die tagsüber unbemerkt, in der Nacht Raum für Interpretationen bieten.
Neben ihrem tiefgreifenden Interesse für Botanik sind es Spuren von und Beziehungen zum Menschen, die sie mit ihren Arbeiten untersucht. Dabei verwendet sie unterschiedlichste Kommunikationsmedien und analysiert deren Strategien. Über ihre Fotografie stellt sie persönlichen Kontakt zu den jeweiligen Personen, aber auch Artefakten her und gibt ihnen die Möglichkeiten zur Interaktion mit den Betrachter/innen.
In der Serie „Sacre Coeur“ (2004) stellt für sie ein Foto, das sie als Kleinkind zeigt, eine Brücke zu den fotografierten Bekannten und Freund/innen dar. Diese antworten der Künstlerin wiederum mittels persönlicher Gedanken, die sich textlich im Bild visualisieren. Unterschiedlichste Kommunikationsstrategien – Bild und Text – vereinen sich in ihren Porträts und inkludieren dabei Aspekte wie Zeit, Erinnerung und persönliche Reflexion. Das Medium Postkarte, das sowohl verbal als auch visuell kommuniziert, entspricht ihrem Interesse an Kontaktaufnahme. In „Herzliche Grüße“ (2005) setzt die dieses Massenkommunikationsmedium ein, um neben ihrer ursprünglichen Kommunikationsfunktion anhand der darauf abgebildeten Architekturen auf austauschbare Strukturen europäischer Städte hinzuweisen.
Porträts von Menschen, die nicht nur durch ihr Äußeres, sondern auch deren eingehender geschilderte Umgebung etwas ihrer Persönlichkeit preisgeben, stehen häufig im Mittelpunkt ihrer fotografischen Recherche. So waren dies Pfarrhaushälterinnen in „Ora et Labora“ (2000), Roma (2000-2004) oder Nachbarn in „I am your neighbour“ (ab 2005). Wobei Michaela Bruckmüller in der letzten Serie mittels Zeitungs- und Radioannonce unterschiedlichste Projektteilnehmer/innen sucht, die erst im Nebeneinander ihrer Porträts im Ausstellungsraum von fiktiven zu realen Nachbarn werden. Erst in diesem Zusammenhang können sie miteinander in Dialog treten und den persönlichen Austausch suchen. Ähnlich operiert die Künstlerin in der performativen Arbeit „housing unit“ (2006). Dabei mietete sie sich in ein leer stehendes Geschäftslokal in Oberwart ein, um dort temporär zu wohnen und die Menschen der Umgebung zur persönlichen Kontaktaufnahme einzuladen.
Kommunikation funktioniert jedoch auch nonverbal, z.B. über persönliche Gegenstände, was Michaela Bruckmüller in der Arbeit „Vom Gehen“ (2009) verdeutlicht. Dabei greift sie Fundstücke auf, die sie vor einfachem Hintergrund riesengroß in Erscheinung treten lässt. Diese achtlos weggeworfenen Dinge, die für den/die ehemalige/n Besitzer/in jegliche Relevanz verloren haben, werden plötzlich durch die extreme Vergrößerung wieder mit Bedeutung aufgeladen. Sie kommunizieren mit den Betrachter/innen und erzählen dabei ihre ganz persönliche Geschichte – wesentliche Aspekte, die sich in Michaela Bruckmüllers Arbeiten wie ein roter Faden durchziehen.
Jasmin Haselsteiner-Scharner / 2017