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Von Pflanzen und Menschen und ihren Habitaten
Peter Zawrel
Rede zur Eröffnung im Kunsthaus Mürz Mai 2023

Michaela Bruckmüller fotografiert Pflanzen, manchmal auch Menschen. Sie inszeniert sie, um sie in ein besonderes Licht zu rücken. Dabei spielt die Farbe Schwarz eine große Rolle. Wurzeln bekleidet sie auch und baut ihnen Schatzkästchen wie für Reliquien. Und sie zeigt die atemberaubende Schönheit des Verblühens in einer Zeit, in der die Vernichtung der Natur durch den Menschen apokalyptische Dimensionen annimmt.

Mit Serientiteln wie „Danse macabre“ - eine Anspielung auf den mittelalterlichen Totentanz -, „sollst sanft in meinen Armen schlafen“ oder „Schwarzer Vogel, flieg …“ und Ausstellungstiteln wie „Vom Werden und Vergehen“ stellt die Künstlerin und ausgebildete Fotografin ihr Werk mit großer technischer und künstlerischer Raffinesse in symbolträchtige kunsthistorische Zusammenhänge.

Seit der Antike gilt das Stillleben als ein memento mori, als Versinnlichung der Vanitas, der Vergänglichkeit alles Seins und Tuns, bis in die Gegenwart mit den Mitteln der Malerei, seit bald 200 Jahren aber auch mit den Mitteln der Fotografie. Vor allem das Blumenbild wollte aber immer auch die überbordende Pracht der lebendigen Pflanzenwelt zeigen, den verschwenderischen Überschuss, den die Natur sich zur Freude des Menschen leistet.

Die naturalistische Rankenmalerei der italienischen Renaissance und das barocke Trompe-l’oeil konnten den wohlhabenden Auftraggebern die Illusion geben, am wärmenden Kaminfeuer im Garten Eden zu verweilen. Michaela Bruckmüllers Werk mahnt auch ein, dass das Schöne in der Kunst nicht dazu da ist, uns vom Hässlichen in der Welt abzuwenden, sondern uns nachdenken zu lassen, warum etwa schön ist und was uns das bedeutet.

Dabei bedient sie sich virtuos aller Möglichkeiten, die ihr die Geschichte der Kunst und die photographische Abbildungstechnik geben. Dadurch lotet sie – worauf der Untertitel der Ausstellung anspielt – auch den Beziehungsreichtum des Mediums Fotografie mit seinen Objekten aus. Sie arbeitet mit einer mobilen Camera Obscura und einer professionellen Kameraausrüstung, die Großaufnahmen auf Farbfilm ermöglicht. Die Präsentation der Werke in – oftmals schwarz lackierten – Holzboxen verstärkt nicht nur die Symbolik des Gezeigten, sondern verweist auch zurück auf die ursprüngliche fotografische Aufnahmeapparatur.

Michaela Bruckmüller liebt metaphorische Titel, die in der Biologie verwurzelt sind („Radix“) oder sich auf philosophische Lektüren zurückführen lassen. „Michaela Bruckmüller – Habitat“ lässt sich aber auch im Sinne des Ursprungs dieses lateinischen Fachausdrucks verstehen, den Linné verwendet hat, um den Herkunftsort einer Pflanze anzugeben. „Michaela Bruckmüller lebt in:“ – und wir könnten fortsetzen: in der Beziehung von Fotografie und Objekt.

Mit der jüngsten Hinwendung zu Xylobionten rücken die Habitate tatsächlich in den Mittelpunkt dieser Beziehung, denn dieser Fachbegriff benennt Holzbewohner wie Käfer oder Baumschwämme, die nur in einer engen Wechselbeziehung mit einem ganz bestimmten anderen Lebewesen existieren können. Ihr Lebensraum ist dadurch extrem eingegrenzt. Die Erforschung von Habitaten liefert nicht zuletzt Erkenntnisse für die Weiterführung unserer eigenen Existenz. Michaela Bruckmüller forscht mit den Mitteln der Kunst; ihre Bilder öffnen uns die Augen.                                                               

Peter Zawrel

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